Zwei Jahre Chorleiter

Vor zwei Jahren, am 17. Oktober 2012, wurde ich – erst mal übergangsweise – Chorleiter der Walldorf Gospel Singers. Nicht, dass ich das geplant hatte, es ergab sich halt. Und so stand ich mit meiner Gitarre vor dem verbliebenen Chor, einem Dutzend Sängerinnen und zwei Sängern, und legte einfach damit los, ein vierstimmiges A-Capella-Stück einzustudieren: „Free Your Soul“ von Martin Carbow. Nun, ich hätte vielleicht etwas einfacheres aussuchen können (immerhin hat es fast ein Jahr gedauert, bis wir es aufgeführt haben). Es war schon ein ziemlicher Unterschied zu vorher: Proben ohne Klavier, stattdessen mit Gitarre. Die Auswahl beim bisherigen Repertoire war eingeschränkt, da auch keine Solisten mehr da waren (und sich keiner so recht traute). Ich singe zwar auch Soli, aber manchmal muss es einfach eine Frauenstimme sein.

Auf „Free Your Soul“ folgten später weitere neue Stücke. Allerdings konnte ich keine Chorsätze (falls überhaupt vorhanden) übernehmen, da es bei zwei Männerstimmen nicht auch noch möglich ist, zwischen Tenor und Bass zu unterscheiden, zumal nicht jeder wirklich in die Tenorlage kommt. Dafür gab es immer genügend Alt-Sängerinnen im Chor, so dass ich vierstimmige Stücke in SAAM (Sopran-Alt1-Alt2-Männer) machen konnte – zum Preis, dass ich die Stücke meistens anpassen oder neu arrangieren musste. Auf diese Weise hatte ich viel Praxis in Tonsatz, und konnte eigene musikalische Ideen ausprobieren.

Mir war klar, dass wir nicht ewig proben konnten, sondern auftreten mussten. Und so bot ich der Gemeinde mit unerschütterlichem Vertrauen in den Chor an, dass wir an der Konfirmation im April 2013 singen können. Wir bekamen eine Zusage, und damit auch gleich die Herausforderung, für zwei Gottesdienste – die Abendmahlfeier und die Konfirmation – Musik zu machen. Letztlich wurden es sieben Stücke, davon zwei neue (Smiling und Great is Your Mercy). Und es begann eine Suche nach Musikern für diese Auftritte, denn A Capella wollte ich nicht mit dem bisherigen Repertoire auftreten, und eine akustische Gitarre alleine klingt etwas dünn. Der Bassist war bald gefunden, wenn auch nur für diese beiden Auftritte. Schlagzeug war schwieriger: In der Kirche ist ein richtiges Schlagzeug zu laut, also suchte ich nach jemandem, der auch Cajon spielen kann (der Trommel-Hocker). Über eine Sängerin vermittelt kam mit Anette unsere Profi-Pianistin zum Chor. Aus der gleichen Ecke kam auch Luca, der E-Gitarrist. So stand ich im März 2013 mit einer Band und einem Chor im Probenraum und kämpfte an alle Seiten: Die Band, die sich finden musste, der Chor, der für die Konfirmation Stücke des früheren Repertoires wieder auftrittsbereit bekommen musste, und das Zusammenspiel zwischen Chor und Band.
Am Ende fanden wir uns beim Konfirmationsgottesdienst auf der Empore wieder, weil der Pfarrer es unbedingt so wollte. Es war sehr eng für die 16 Chorsängerinnen und Sänger sowie für die 4 Mitglieder der Band. Es hatte eher was von Chorprobenraum als von Auftritt, zumal wir von den Zuhörern wenig sahen. Und so machten wir das, was wir auch in den Proben machen: Singen und dabei Spaß haben.

Das Ergebnis: Wir waren für die Gemeinde wieder da und hatten wieder die Sicherheit, dass wir auftreten und die Leute begeistern konnten! So machte wir bei zwei weiteren Gottesdiensten Musik und wurden auch gefragt, ob wir beim Gemeindefest Bazar singen. Doch eine andere Anfrage hatte noch mehr Auswirkungen: Ein Chor aus Schwaben fragte an, ob er mit uns zusammen ein Gospel-Konzert im September geben könne, wenn er gerade auf Chorfreizeit in Nordbaden ist. Ich sagte zu – bis September können wir bestimmt was auf die Beine stellen. Und so hatten wir unser erstes selbst organisiertes Konzert am 23.9.2013: „Gospel and More“ mit dem Chor Timeout-Auszeit sowie mit uns. Die Vorbereitung was eine Herausforderung für sich: Nur wenige Wochen nach Ferienende, mit 11 Stücken sowie zwei, die wir mit dem Gastchor zusammen aufführen wollten, und davor dem Auftritt beim Bazar, den wir bei der letzten Probe vor den Ferien erst erfahren hatten.

Im Sommer 2013 ergab sich übrigens ein großer Glücksfall: Schlagzeuger Torsten und Bassist Werner kamen zum Chor. Eigentlich war es ein Schnuppern von Torsten Anfang Juli, der beim nächsten Mal einfach noch Werner mitbrachte, so dass wir von einem Moment auf den anderen plötzlich eine eingespielte Rhythmusgruppe hatten, und mit Pianistin Anette und Gitarrist Luca eine richtige Band.
Überhaupt war der Chor seit Anfang des Jahres kräftig gewachsen – neben ehemaligen Chormitgliedern, die wieder singen wollten, kamen auch viele neue Sängerinnen und ein Sänger dazu. Auch gab es nun zwei Solistinnen, so dass mehr aus dem alten Repertoire möglich wurde.

Das Konzert Gospel and More war ein voller Erfolg. Wir lernten dabei auch, wie unterschiedlich Chöre sein können.
Vor einem Jahr war ich nun offiziell Chorleiter der Walldorf Gospel Singers und hatte bis dahin 7 Auftritte geleitet und 8 neue Stücke eingeprobt. Danach zog das Tempo an, denn es ergaben sich jede Menge weiterer Auftritte und sogar ein Chorwochenende im November in Altleiningen. Zeitweise traten wir jedes zweite Wochenende auf, und mussten neue Stücke des übernächsten Auftritts während der Generalprobe des Nächsten anfangen. In meinem zweiten Jahr hatten die Walldorf Gospel Singers 12 Auftritte, und ich habe 21 neue Stücke einstudiert, davon 8 Gemeindelieder für Gottesdienste. Es gab viel Neues: Ein eigenes, einstündiges Konzert in Bammental, Gottesdienste (evangelisch und katholisch), die wir komplett musikalisch gestalteten, Open Air Auftritte (und eine Probe) an schönen Seen, und Proben zu bestimmten Themen, unter anderem für Solisten.

Heute hat der Chor über 50 Mitglieder. Die Soli der Stücke sind jetzt doppelt besetzt. Wir haben seit dem Weihnachtsmarkt bei unseren Auftritten immer mit Band gesungen, auch wenn sie nicht immer vollständig war.

Und wie geht es weiter? Mit viel Spaß natürlich. Wir haben ein großes Repertoire (über 35 Stücke), mit dem wir zu verschiedenen Anlässen auftreten können (z.B. sind wir für zwei Hochzeiten 2015 gebucht). Auch nächstes Jahr wird es wieder einige Auftritte geben, aber auch ein Chorwochenende.

Ich bin froh, dass ich vor zwei Jahren die Chorleitung übernommen habe und freue mich seither auf jede Probe.

Bernhard